Vor der Corona-Pandemie wurden die Grenzen im „gemeinsamen Haus“ Europas vor allem durch die unterschiedlichen Sprachen wahrgenommen. Heute finden wegen des Virus wieder Kontrollen an den Grenzen statt. „Gerade deshalb ist es im Moment umso wichtiger, im Gespräch zu bleiben“, ist Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich überzeugt. Als Vorsitzender des Vereins „Niederbayern-Forum“ und des Trägervereins „Europaregion Donau-Moldau“ begrüßte er die über 200 Teilnehmer zum Bayerisch-Tschechischen Business Talk, der am Mittwoch bereits zum zweiten Mal stattfand.
Ein Format, das in Zeiten, in denen persönliche Begegnungen unmöglich sind, es Unternehmen dies- und jenseits der Grenze ermöglichen soll, sich auch weiterhin über aktuelle Themen auszutauschen. Dies erklärte die Netzwerkmanagerin Bayern-Böhmen, Jaroslava Pongratz, die zusammen mit Christina Tanosova, Geschäftsführerin des Niederbayern-Forums, die Online-Veranstaltung organisierte.
Drei Referenten informierten per Webinar über neue Entwicklungen im Bereich der virtuellen Realität (VR) und erweiterten Realität (AR). Jessica Laxa von der Technischen Hochschule Deggendorf am Technologiecampus Grafenau erklärte die Entwicklung und Grundlagen der Technik, die mittlerweile in Form von sensorbasierten Brillen in Branchen wie Medizin, Tourismus, Kultur und Mobilität zum Einsatz kommt. Noch seien die Kosten dafür aber hoch, so Laxa, und die Anwendung auf wenige Stunden begrenzt, da man ansonsten Symptome ähnlich einer Seekrankheit entwickele. „Die Chancen der Technologie sind aber immens, der Markt soll laut Studien bis 2025 auf rund 80 Milliarden Dollar wachsen.“
Praktische Beispiele, wie Unternehmen virtuelle Realität gewinnbringend einsetzen können, hatte Filip Major aus Prag vorbereitet. Mit dem Startup „iShowroom“, das er erst vor fünf Monaten gegründet hat, konzentriert er sich derzeit vor allem auf den E-Commerce zu Corona-Zeiten und darüber hinaus. Major stellte fest, dass es für viele Produzenten gerade im Moment schwierig sei, den Endkunden anzusprechen und das eigene Produkt so emotional zu präsentieren, wie es der Verkäufer im persönlichen Gespräch könne. Als Lösung bietet sein Unternehmen virtuelle Präsentationen des Produktes an, etwa den Showroom eines Autoherstellers eins zu eins zu digitalisieren, so dass sich der Kunde das Fahrzeug von allen Seiten ansehen kann. Zusätzlich dazu gibt es Funktionen, wie das Wechseln der Farbe oder Ausstattung, die so in der Realität auf Knopfdruck gar nicht möglich wären. Genauso kann ein Einrichtungsgegenstand ganz einfach per Mausklick in die heimische Umgebung integriert werden, um zu sehen, ob das Produkt auch optisch ins Wohnzimmer passt. „Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig“, so Filip Major und verwies für Unternehmen auf die Notwendigkeit bei diesen Entwicklungen dabei zu sein. „Um rund 50 Prozent soll dieser Wachstumsmarkt virtuelle Realität bis 2025 steigen.“
Wie VR und AR bei firmeninternen Vorgängen eingesetzt werden können, zeigte Leoš Kubíček, vom Virtual Lab in Budweis auf. Schulungen und Coachings von Mitarbeitern könnten durch neue Technik ebenso virtuell und doch realitätsnah stattfinden wie Meetings, bei denen man sich in einem „digitalen Zwilling“ des tatsächlichen Raums trifft. „Die Personen sitzen am anderen Ende der Welt und brauchen nur eine vernünftige Internetverbindung, um sich virtuell treffen zu können“, so Kubíček. Noch weiter gehen hingegen etwa für Maschinenhersteller die Möglichkeiten, ihren Mitarbeitern neue Geräte und deren Bedienung zu erklären. Was in der Realität nicht möglich ist, kann hier umgesetzt werden. Die Maschine wird virtuell zerlegt und man kann Einzelteile sichtbar machen, ohne dass man in der Produktion vor Ort ist. Gerade um Reparaturvorgänge zu trainieren, werde das von der Industrie zunehmend nachgefragt. „Auch für den Arbeitsschutz ist die Technik interessant. Beispielsweise kann man Unfälle simulieren, um den Mitarbeitern zu zeigen, was passiert, wenn sie die Schutzausrüstung nicht verwenden.“ Der Lerneffekt sei laut Referent sogar höher als in der Realität und durch personifizierte Avatare könne auch eine persönliche Nähe geschaffen werden. „Am Ende gibt es keine Limits“, betonte auch der Budweiser Experte.
„Die Teilnahme von zahlreichen tschechischen und bayerischen Unternehmen und das positive Feedback von vielen Seiten haben mir bestätigt, dass ich mich für das richtige Thema entschieden habe. Schon kurz nach der Veranstaltung zeichnete sich bereits ab, dass sich weitere neue grenzübergreifende Geschäftsbeziehungen bilden werden“, so das Fazit von Organisatorin Jaroslava Pongratz. Dennoch hofft sie, dass bald grenzüberschreitende Veranstaltungen wieder mit persönlichem Kontakt stattfinden können.
Text und Bild: Lang, Bezirk Niederbayern